Kapitel 15 – Der Weg zu den drei Eichen (Zu den drei Eichen)


Kapitel 15 – Der Weg zu den drei Eichen (Zu den drei Eichen)

Die vier Episoden des Kapitels wurden wiederum mit großen Absätzen voneinander getrennt. Im Einzelnen sind dies die folgenden Geschichten:

  • Adalwin erhält Heidesachs und vor allem die Hoffnung zurück
  • Am Grab der Eltern und später im Hochmoor erschließt sich ihm sein neues Ziel
  • Der Umherirrende übernimmt die Beschützerrolle für ein verwahrlostes Kind
  • Monahora und Germalia helfen ihm zu den drei Eichen und in die Anderwelt zu gelangen

Das Kapitel startet mit dem Abgesang des Krieges im Norden Alamanias. Unser Held weiß vor Trauer und Niedergeschlagenheit nichts mit sich anzufangen. Einzig Rachegelüste verschaffen ihm Ablenkung. Der Konflikt, aus dem er sich mit Aurelia so gern heraushalten wollte, hat ihn an- und eingesaugt. Dies sei all jenen ins Stammbuch geschrieben, die meinen, durch Wegsehen oder Schönreden dem ausweichen zu können, was derzeit in unserem Vaterland passiert.

Begierig stürzt sich Adalwin mit den Freischärlern bei jeder Gelegenheit auf die abziehenden Söldner. Er legt dabei eine Tollkühnheit an den Tag, die von Todessehnsucht geprägt ist. Der alte Greifensteiner, der den Jüngling ob der Ähnlichkeit zu seinem Ältesten ins Herz geschlossen hat und wegen der Begebenheit an der Furt von dem den jungen Recken umwehenden Geheimnis fasziniert ist, hat alle Hände voll zu tun, ihn vor dem Schnitter zu behüten. Als schließlich die Auflösung der Freiwilligenschar ansteht, nutzt der Graf die Nacht des Abschieds, um seinem besten Krieger die aus den Fluten geborgene Klinge zu überreichen. Seine Ahnungen bestätigen sich. Beruhigt kann er sich seinem Refugium und der Kontemplation zuwenden: Er durfte fürwahr dem Drachenkrieger begegnen und für diesen als Wegbereiter dienen.

Der Leser wird erraten können, dass es Gaia ist, die sich über Gustav Emanuel bei der Rückgabe von Heidesachs artikuliert und die Visionen im Hirn ihres Zöglings entspringen lässt. Mit der zweiten Inbesitznahme der Waffe Gundehars ist der Entschluss Adalwins verknüpft, seine Geliebte zu suchen und sich seiner Bestimmung zu stellen. Sie symbolisiert quasi sein Erwachen und das Annehmen der ihm zugedachten Rolle. Im Gegensatz zum Kenner des Romans ist dem jungen Mann ja noch verborgen, dass seine Braut nicht im nassen Grab liegt. Er kann sich lediglich an eine vage Hoffnung klammern, die in ihm auflodert, trotz dessen ihr ein realer Bezug fehlt.

Eine Erfahrung in der Erziehung unserer Großen habe ich in der Erzählung mit eingebaut: das Aufrechthalten des Wollens im Geiste verbunden mit der Sicherheit im Glauben, das Richtige getan zu haben oder zu verlangen, birgt mächtige Schöpferkräfte. Adalwin wird, konfrontiert mit dem verloren geglaubten Schwert, von negativen Gefühlen übermannt. Erst mit der dritten Welle keimt das zarte Pflänzchen der Zuversicht auf. Die mentale Begleitung durch den Adelmann ist Teil dieses Geschehens. Genauso haben wir das oft bemerken können, wenn es sich um Auseinandersetzungen mit oder Forderungen an die Halbwüchsigen unter unserem Dach drehte. Klare Formulierungen, konsequentes Festhalten daran im Inneren verbunden mit Schweigen (vor allem dem eigener Zweifel) überträgt sich mächtiger als Worte und führten zu mancher Einsicht, was hiermit zur Nachahmung gern empfohlen werden kann.

Getrieben von einer Intuition wendet sich Adalwin zu seinem Heimatdorf zurück. In diesem Tun versteckt sich mehreres als Symbolik. Zum einen die Gewissheit darüber, dass es die Prägung durch Abstammung, Kultur und die verinnerlichten Werte ist, die uns in und durch die schlimmsten Krisen tragen. Instinktiv zieht es unseren Helden zu diesen Wurzeln. Der zweite Aspekt: Heilung und Erlösung bedürfen zunächst der Klarheit, des Anschauens und Bereuens der eigenen Anteile. Der Aufbruch zu jener Furt ist für ihn die Rückkehr an den Ort der Schmerzen, denen er sich stellen muss.

Die landschaftliche Schönheit legt sich wie ein Trostpflaster auf Adalwins Wunden und gebiert das Verständnis davon, was tatsächlich damals geschehen war. Nicht Gaia hatte das Unglück ausgelöst, sondern das eigene Verweigern der Wirklichkeit, das Davonlaufen vor der Lebensaufgabe, mag diese zugegebenermaßen auch als extrem anspruchsvoll gedräut haben. Am Ursprung seiner selbst und an der Quelle des Desasters schenkt sich dem Unglücklichen die Erkenntnis, dass Mutter Erde weiter als Beschützerin für ihn fungiert hatte. Umso niederschmetternder ist es für den jungen Recken seinen Fauxpas mit dem Fluch auf seine Schirmherrin zu realisieren. Ein solcher Ausrutscher zeitigt üble Folgen, wie der Jüngling ahnt und sich in der Romanhandlung noch manifestieren wird.

Eine Abstraktion möchte ich an dieser Stelle einschieben. Wann immer etwas schief läuft im Erdendasein, ist es angeraten, bei sich selbst nachzuforschen. Nichts geschieht zufällig, alles ist ein Spiegel und damit zugleich auch Chance zum Reifen. Ungerechtigkeiten, Verluste, Böses und Verletzungen oder Krankheit sind Teil unserer irdischen Existenz, für die es nur einen Auslöser gibt, nämlich denjenigen, der sie erfährt. Schwer verdauliche Kost, keine Frage. Ungeachtet dessen lohnt es sich, diese Anschauungsweise einzunehmen. Es ist der einzige Weg, um aus der Opferrolle herauszukommen, in der es sich für manchen bequem einrichten lässt. Nur lähmt sie die eigenen Schöpferkräfte und schränkt uns in unserer Göttlichkeit ein. Insofern soll die Ermunterung zum Aufbruch in ein anderes Dasein wenigstens ausgesprochen worden sein. Mir ist das Thema sehr wichtig. Es taucht deshalb nochmals im Kapitel „In Alachandria“ im zweiten Teil des Romans auf, weil ich es dessen Hauptadressaten (meinen Kindern) unbedingt ans Herz legen wollte.

Eingestreut sei hier ebenfalls schnell, was mich zu der beschriebenen Landschaft inspiriert hat. Eine solche Idylle erstreckt sich vor dem Passanten, wenn er im Wörlitzer Park den Wall erklimmt, auf dem der Weg zum Venustempel verläuft. An einem Sommertag, den ich mit Frau und Mutter in der von Fürst Leopold III. angelegten Pracht verbringen durfte, eröffnete sich mir die porträtierte Perspektive samt Störchen, Weihe und Schwanenpärchen, die obendrein mit einer Herde weißer Rinder garniert war, kurioserweise beim Blick heraus aus der Perle englischer Gartenkunst in Richtung Elbe. Wenn Kitsch perfekt ist, wird er zur Großartigkeit. Mit diesem Fazit hat sich mir der Moment damals in Hirn und Herz gebrannt.

Zurück zur Geschichte. Das Band zu Gaia ist für ihn zerschnitten. Es lässt sich schwer erahnen, woher die Impulse stammen, die Adalwin leiten – es ist auch egal. Dessen Entwicklung wird vom göttlichen Plan gelenkt, des sich in vielerlei ausdrücken kann, zum Beispiel auch durch die (Beg)Leitung der Ahnen – und so drängt es ihn innerlich, dem Grab seiner Eltern einen Besuch abzustatten. Über den Tod hinaus gibt ihm der Vater einen Hinweis, der sich plötzlich wieder in das Gedächtnis des Jungen drängt. Auf dem Hügel mit dem Kreuz hat eine Eichel ausgetrieben. Das Vermächtnis des Verblichenen wird lebendig und verleiht dem aus der Bahn geworfenen Sohn neue Orientierung.

Zunächst wird seine Geduld ziemlich auf die Probe gestellt und es zeigt sich, dass er aus eigenen Kräften nicht vermag, was sein alter Herr ihm angeraten hatte, nämlich zu den drei Eichen zu pilgern. Wie verwunschen verbirgt sich der magische Ort vor ihm und der Literaturfreund wird sich sicherlich des Umherirrens von Parzival erinnern, der sich ebenfalls vergeblich darum bemühte, das Schloss seines Oheims erneut aufzufinden. Unser Held strolcht durch ein vom Krieg verheertes Land, wobei mir bei der plastischen Beschreibung seinerzeit das Gefühl der Ohnmacht geholfen hat, was ich nach einer „Aufwartung“ des Finanzamtes (im Amtsjargon heißt das Betriebsprüfung) in mir trug. Mir dünkte damals der Punkt nicht mehr fern, an dem sich die Leistungsträger dieser Gesellschaft ins innere oder äußere Exil begeben haben werden, weil ihnen keine Wertschätzung mehr entgegengebracht, ihr Geld für fragwürdige Dinge verschwendet wird und sie es einfach leid sind, nur noch als Nutzmenschen, Personal, Untertanen oder Steuerzahler betrachtet und behandelt zu werden.

Das Initialerlebnis des Drachenkriegers sollte dem Leser hoffentlich aus dem zweiten Kapitel (Ein guter Freund) im Gedächtnis haften geblieben sein. Ein kapitaler Hirsch hatte den Bauernsohn seinerzeit, nachdem er von Adalwin vor dem Ertrinken gerettet wurde, zu den drei Eichen getragen und in einem der hohlen Stämme erschien Gaia ihrem Erwählten im Traum. Durch die drei Verwünschungen am Fluss zurückgeworfen, muss sich der Jüngling erst erneut als würdig erweisen, an den heiligen Ort gerufen zu werden. Wo er überhaupt damals gewesen ist, eröffnet ihm eine Kräuterfrau und Wahrsagerin, der er nach Wochen des Herumstreifens begegnet: Die Hüterin des Vaterlandes war ihm damals erschienen.

Die Nacht in der Hütte im Moor ist hier in den Anmerkungen mindestens ebenfalls einige Absätze wert. Aus drei Gründen: Zum einen offenbart sie als Teilstück in einem langen, die Trilogie durchziehenden Reigen, unter anderem die Präsenz der Sage von den zwei Auserwählten. Diese ist bei allen Völkern und Religionen, wenngleich mit diversen Varianten, im Umlauf.

Zweitens war mir der Hinweis auf den Glauben unserer Vorväter wichtig, der zu Unrecht unter einer dicken Schicht brauner Soße verschüttet ruht. Unsere nordischen Wurzeln enthalten vieles an alten Weisheiten, die mit dem Christentum unterdrückt wurden. Weil es den Germanen gelang, die Römer aus ihrer Heimat herauszuwerfen und in fortgesetztem Dauerkonflikt letztlich Westrom nach dessen „erfolgreicher“ Globalisierung (das Menetekel, was das römische Reich für die Europäische Union darstellt, angesichts der aktuellen Überflutung mit Fremden, mag sich jeder selbst überlegen) zu zerschlagen, hatten sie bei den Kirchenleuten keine gute Lobby. Die klauten zwar munter einige Feste, deckten aber einen Mantel der Verteufelung über alles Nordische. Wie effektiv der bis heute funktioniert, musste ein Mann wie Ryke Geerd Hamer verspüren, der mit seiner germanischen Heilkunde Krebskranken zur Gesundheit verhalf und sich deswegen den Unmut der weißen Mafia zuzog. Wie effektiv die Leute fertigzumachen weiß, kann jeder unter dem Stichwort „Hamer“ bei Wikipedia nachlesen. Schade wäre nur, wenn man es dabei beließe, nur dort nach diesem interessanten Ansatz für die Krebstherapie nachzuforschen.

Drittens klingt in der Prophetie der Heilerin ein deutlicher Hinweis auf das Finale des Romans an. Nachdem die Alte die Runen geworfen hat, wird ihr von diesen verkündet, welchen Gast sie aufnehmen durfte. Weiterhin erfährt sie von Allvater Odin, der durch die Knochenstücke spricht, worin der nächste Entwicklungsschritt Adalwins bestehen muss. Das zarte Pflänzchen Hoffnung erhält Auftrieb. Eine Bewährungsprobe wird für den Helden in Aussicht gestellt.

In der geistigen Hierarchie steht das Hüterwesen Alamanias unter Mutter Erde, da es einen Teilaspekt von dieser verkörpert. So wie Germalia (Germania) seinerzeit Gaia als Hirsch gedient hatte, um das Mitgefühl des Knaben zu erproben, wird sie wieder in Erscheinung treten. Wie und wo wird sich zeigen.

„Im traurigen Monat November war´s, die Tage wurden trüber, der Wind riss von den Bäumen das Laub, ….“ Heinrich Heine brauchte in „Deutschland. Ein Wintermärchen“ ganze drei Zeilen, um ein Bild vor unserem Auge als Einstieg in seinen Vaterlandsverriss zu zeichnen. Bei mir im Buch dauert das etwas länger, aber teutonischer Tradition gemäß habe ich die Wende für Adalwin ebenfalls (mit Bedacht oder nennen wir es Augenzwinkern) in den Windmonat gelegt. Dieser Nebelung geistert als eigen Ding durch unsere Historie. Schlagen wir mal großzügig den 31. Oktober (den Reformationstag) der gleichen Jahreszeit zu, in der die Kleingartenzeit definitiv vorbei ist, dann kann der tumbe Michel, wurde er lange genug gepiesackt, doch mal rebellisch werden. Novemberrevolution und Umsturz in der DDR seien als allseits bekannte Beispiele hier aus dem letzten Jahrhundert benannt.

In unserem Plot trabt Adalwin durch ein verfallenes Dorf, will an dem tristen Ort lediglich sein Pferd tränken und sieht sich plötzlich mit einem mongoliden Mädchen konfrontiert. Ein Mittelding zwischen Mitleid und Unsicherheit bugsiert ihn auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Es ist allein sein fungierendes Gewissen, das sauber unterscheidet zwischen allgemeinem Elend und dem, was ihm als Individuum begegnet und für ihn damit als Aufgabe, Bewährungsprobe oder nennen wir es Chance zur Seelenentwicklung zugewiesen wird. Weil Germalia seine Pfade gekreuzt hat, ist sie in den Bereich seiner Verantwortung geraten. Am Schluss siegt seine Mitmenschlichkeit, er widmet sich der Schutzlosen an und kümmert sich um sie während des Winters, ohne zu realisieren, wer ihm da ins Leben hereingeschneit ist. Mit dem eigentlichen Durchbruch zum Ziel seiner Wünsche wird der Jüngling aber erst belohnt, nachdem er sich ein zweites Mal entscheiden musste.

Es ist März geworden. Frühlingskräfte beschwingen neu und unerwartet taucht Monahora in dem verheerten Kaff auf, die sich dem Drachenkrieger erst von sich aus entschleiern muss, während das reine Herz von dessen Schützling sofort wahrnimmt, wer sich da manifestiert hat. In höchste Zerrissenheit gestürzt bringt er es nicht fertig, die Kleine zurückzulassen und genau dieser Entschluss katapultiert ihn durch die imaginäre Mauer. Die drei Eichen werden sichtbar und seine Mitbewohnerin entpuppt sich als die Hüterin des Landes, die längst Tuchfühlung zu ihm hergestellt hatte, um ihn zu erproben.

Verraten sei an dieser Stelle, woher die Inspiration für die Episode stammte. Die echte Aurelia, meine Jüngste, hat das Glück, in Dresden die Montessori-Schule zu besuchen, die zugleich eine Integrationsschule ist. In ihrer Lerngruppe war ein solches Kind mit eingegliedert und ich habe meine eigenen Empfindungen solchen Menschen gegenüber in der Szene verdichtet. Antonia sei Dank, habe ich für mich verinnerlichen dürfen, wie viel Freude und Liebe diese anders Gearteten in die Welt zu tragen vermögen. Sie sind eine Bereicherung, was ich mir früher nie hätte vorstellen können.

Kehren wir zum Geschehen zurück! Im Verein klären das Einhorn und Germalia unseren Helden über Aurelias Dahinvegetieren in der Schattenzone auf. Das Gift der Drachenschwester entfaltet seit der Verletzung an der Furt seinen Effekt und Gaias Elemente vermochten sie lediglich gegen einen hohen Preis dem Tod zu entreißen. Der Jüngling zögert nicht, um sich trotz der Androhung des ewigen Verfangenseins in der Sphäre der Düsternis auf die Rettung der Geliebten einzustimmen. Zuvor wird er in die Regeln der Astralwelt eingewiesen, die der spirituell interessierte Leser sicherlich in dem sich anschließenden übernächsten Kapitel an seinen Charakteristika wiedererkennen wird: Rückwärtslaufende Zeit, Spiegelbilder der Emotionen, konträre Farben und Gerüche – es sind die Gespenstergefilde, die uns umwabern und in denen sich manche Seele verirren kann, um dort die persönliche Hölle zu erleben. Mir ging es bei dem Ausflug dorthin jedenfalls nicht um eine Neuauflage von Orpheus und Eurydike, obwohl das vordergründig so wirken könnte.

Für seine Befreiungsmission erhält der Jüngling Zaubergaben und den Verweis darauf, was im Kern gefordert wird: seine Liebe. Gerüstet für den schweren Gang wird er mit einem Dreierpaket Eicheln plus einer Adlerfeder. Das hohe Wesen des Vaterlandes reicht aus, was die Verbundenheit zu Alamania ausdrückt: die Früchte des Nationalsymbols unter den Bäumen und ein Teil des Wappentiers. Danach kriecht er in die Höhle, in der für ihn alles mit der Erscheinung von Gaia begann. Der Irrweg kann sich an gleicher Stelle schließen.