Kapitel 19 – Teil 2


Marena hat an diesem Morgen wenig Glück auf ihrer Beerensuche. Obwohl sie vom Schlimmsten in letzter Sekunde erlöst wird, erleidet sie schwere Verletzungen, ganz abgesehen von den dramatischen Abläufen, die sie in peinvoller Lage verfolgen muss, bevor ihre Errettung feststeht.

Sie ähnelt, ohne es zu wissen, Adalwins Mutter, was Leuforia ausnutzen wollte, den Jüngling ins Verderben zu locken. Für den Impuls zu helfen, bedurfte es dessen gar nicht. Gutherzig wie der Geliebte Aurelias ist, greift er in das verbrecherische Geschehen ein, ohne diese spezielle Eigenschaft der Mittfünfzigerin erkannt zu haben. Gleichwohl spielt sie eine Rolle für seine Gemütslage und wirkt unterstützend dabei, in die Mitleidsfalle zu tappen.

Alle Männer sind von Natur aus Macher. Für sie ist es die Hölle, mit einem unerfreulichen Zustand konfrontiert zu werden und daran nichts ändern zu können. Daher gestaltete es sich für den jungen Recken schier unerträglich, bei dem Überfall auf sein Heimatdorf nichts gegen das gewaltsame Ende der Frau tun zu können, die ihn geboren hatte. Genau deswegen narrt ihn in der Anderwelt auch das Trugwesen mit dem Antlitz seiner Mutter (das Trauma konnte noch nicht verarbeitet werden) und zeigt er sich empfänglich für das Wirken der schwarzen Magie, wie sich später zeigen wird.

Vorerst öffnet sich für ihn ein Tor in eine andere Welt, in der ihm schnell die Orientierung verloren geht. Als Zeichen dafür steht der Verlust des Aar, der ihn warnen will und sich damit für die Drachenschwester enttarnt. Leuforia schießt den Begleiter des Jünglings vom Sockel und heimst ihn als Trophäe ein. Bevor sie verschwindet, garniert sie ihre Niedertracht mit einem Bannfluch und unser Held landet in einem sanften Verließ, das ihm gar nicht als solches erscheint. Im Gegenteil, ihm gefällt es, sich bei der Bäuerin einzunisten, war ihm doch die Wärme und Geborgenheit eines Heims schon früh geraubt worden, genießt es deshalb doppelt, umsorgt, gehegt und umschmeichelt zu werden. Seine Ausflüge zur Linde geraten zu einem Alibi, die Erinnerung an seine Traumfrau verblasst. Die Zeit verfliegt und Marena versteht es prächtig, mit ihrem Rückenleiden sein Mitgefühl aufrecht zu halten und damit seinen Drang, endlich weiterzureisen, zu ersticken.

Schnell verfließt der Sommer. Gaia versucht zwar, ihren Schützling aus dem Bannkreis zu reißen, jedoch dringen die Sendboten nicht durch. Die erste derartige Episode mit dem Zug Graugänse ist etwas ausführlicher beschrieben, als die nachfolgenden Versuche mit Elstern, Rabe und Wölfen. Ein wenig wollte ich bereits andeuten, was später passieren wird. Vorerst sitzt der Gegenspieler Leuforias in einem süßen Gefängnis und die Drachenschwester scheint am Ziel.