Kapitel 11 – Flucht, Verfolgung und Heimkehr (Heimkehr)


Das elfte und letzte Kapitel des ersten Teiles bringt unseren Helden zunächst die Mühsal der Flucht. Clever weicht Adalwin mit seiner Geliebten in den Süden aus. Einerseits ist das eine Finte, andererseits scheint ihn das Königsschwertes in den Heiligen Bergen zu rufen. Darin blitzt ein gewisser Widerspruch zum Entschluss des Paares auf, sich von der ihnen ungefragt zugewiesenen Rolle als Drachenkrieger zu distanzieren, um die gemeinsame Liebe leben zu können. Andeuten wollte ich damit ein Spannungsfeld, das mich auch persönlich fasziniert und die gesamte Romanhandlung durchzieht: Die seltsame Verquickung von individuellem Schicksal und der von Gott verliehenen Freiheit, sich mit freiem Willen selbst entscheiden zu können, die dennoch an genau diesen einen Platz zu führen scheint, wohin uns ein höherer Plan dirigiert hat, um daselbst einer Bestimmung zu genügen. Das ewig mysteriöse Paradoxon der Vorsehung!

Angerissen wird zudem eine andere Thematik, welche in der Trilogie jedoch vage bleibt, obwohl an vielen Stellen dem Leser suggeriert wird, dass es eine vorgelagerte Handlung gegeben hat. Am Schluss des Werkes weiß der Literaturfreund sicher: Das Pärchen ist nicht das erste, was ausgezogen war, die Herrscher vom dunklen Felsen vom Thron zu stoßen. In diesem Buchabschnitt kann er erstmals ahnen, es dürfte eine Bewandtnis haben, dass die Rüstung Gundehars dem Alamannen wie angegossen passt.

Zwischen die Vorgeschichte mit Markaros und der Geburt der Flügelechsen würde noch gut ein weiterer Roman passen, der die verschlungenen Wege des blauen Brillanten und des roten Herzens aufhellt, die Herkunft des grünen Metalls und von Aurelias Speer erklärt, das Scheitern einer großen Liebe im Verrat beschreibt, … und den ich noch schreiben könnte/wöllte/würde, sofern mir irgendwann dazu die Zeit geschenkt wird.

Als ich die Abschnitte des ersten Teiles aus diversen Gründen neu ordnete, habe ich darauf geachtet, dass dieses letzte Kapitel die Nummer 11 trägt. Weshalb? Gemeinhin wird mit der 11 verbunden, dass sich über die göttlichen Gebote, von denen bekanntlich 10 existieren, hinweggesetzt wird. Die 11 spielt bei Satanisten und Freimaurern eine große Rolle. Pentagram und Hexagram ergeben in Summe 11, es ist die Zahl des Krieges, der Sünde und des Reiches des Antichristen. Genug davon, wer mag, kann sich im Internet gern ausführlicher informieren. By the way würde es sich, wenn jemand tiefer einsteigen will, bei der Gelegenheit lohnen, über die Symbolik von 9/11 nachzusuchen – aber das ist ein anderes Thema.

Für meinen Roman war mir wichtig, dass die 11 gleich mehrmals auftaucht, nämlich sowohl in der Überschrift bzw. Einteilung wie in der Handlung. Aurelia und Adalwin überschreiten eigensinnig die Grenzen ihrer göttlichen Bestimmung, laufen vor ihr davon, wollen sich ins Private Klein-Klein zurückziehen. Das Einhorn als Symbol des Geführtwerdens verlässt die blonde Maid denn auch folgerichtig. Verfolgt wird das Duo von genau 11 Turkannen, deren böse Intension jedoch scheitert. Aurelias Zaubergaben und die Silberpfeile helfen, die ausgeschickten Mordbuben zu stoppen. Es sind sieben an der Zahl, die der zurückkehrende Adalwin im Köcher mitbringt. Keine zufällige Wahl, denn die 7 steht für die göttliche Vollkommenheit, die sich wie ein Schutzschild vor die Halbwüchsigen legt.

Nach diesem Ausflug in die Symbolik zurück zum Geschehen. Zunächst erfährt der Bücherfreund von der Reaktion des Wesirs auf die Flucht. Routiniert veranlasst der die Abfolge der Maßnahmen. Das Besäufnis gebiert für die unglücklichen Wachen ihr Verhängnis, Gülgürü erhält die schlechte Nachricht, die Grenze wird geschlossen und Fährtenleser nehmen die Verfolgung auf. Allerdings bewährt sich die List Adalwins zunächst. Dank des rechtzeitig von Gaia geschickten Regens und dem Wundertüchlein von Aurelia entrinnen die Blauäugigen den Häschern.

Die nächsten Abschnitte sind den Empfindungen und Überlegungen des Großkhans gewidmet. Der geraubte Jüngling hat sein Herz erobert, aber er ist Machtmensch durch und durch. Die Flucht seines Wahlsohnes stellt für ihn vor allem ein Fiasko dar. Sein Ego ist verletzt, sein Stolz enttäuscht. Doch er besitzt Scharfsinn, sodass es ihm gelingt, durch das Brennglas des Schmerzes die Zusammenhänge zu entwirren. Er handelt aus Staatsräson, wobei sich sein Versuch, das Gesicht zu wahren, noch als Geniestreich des Geschicks erweisen wird.

Das militärisch trainierte Geschick Adalwins lässt im Verein mit der Schützenhilfe von Mutter Erde und dem Nahrung spendenden Tuch Nastasias die Helden sicher bis vor das Grenzgebirge gelangen. Sie genießen einen Abend am Feuer, wiegen sich in Vorfreude und trennen sich. Während Adalwin zum See hinaufstrebt, an dem der König der Nordmänner bestattet wurde, hütet die Maid die Pferde. Monahora nutzt die Gelegenheit, um ihrem Schützling Lebewohl zu sagen. Aurelia empfindet das als bitter, aber als gerechtfertigten Preis für ihre Liebe zu Adalwin.

Der Dialog zwischen der Drachenkriegerin und dem Fabelwesen verarbeitet eine Weisheit, die ich aus einem Kinderfilm stibitzt habe, den ich gern mit meinen Großen angeschaut habe und der viele universelle Wahrheiten enthält. In dem Hollywood-Trickfilm „Kung Fu Panda“ klingt das bei Meister Ookway so: „Oftmals begegnet man seinem Schicksal auf eben jenem Weg, den man einschlägt, um es zu vermeiden…“ Plakativ unterstreicht dies der Film dadurch, dass es genau die Feder der ängstlichen Gans ist, die als Bote ausgeschickt wird, um sich vom sicheren Gefängnis zu überzeugen, die Tai Lung das Ausbrechen ermöglicht. Mir kam es darauf an, dass beide Auserwählte von einem Wesen mit höherer Einsicht zwar einen Hinweis auf ihre Bestimmung erhalten, diesen jedoch ignorieren, womit die Katastrophe vorprogrammiert wird. Nichtsdestotrotz wird der freie Wille akzeptiert – er führt letztlich zu den notwendigen Erfahrungen, die Teil des Weges zur Reife von Aurelia & Adalwin sind.

Der Jüngling erhält seinen warnenden Rat vom Vorsteher der Gnome. Zudem erfährt er von der besonderen Natur der Silberpfeile. Er verharrt und handelt dennoch einer inneren Stimme folgend richtig – sowohl die Waffen wie die Rüstung sind für seinen weiteren Werdegang unverzichtbar. Die nächste Szene verdeutlicht das schon, denn die vier magischen Geschosse reduzieren für Aurelia die Übermacht der Zehnerschaft auf ein Maß, das sie bewältigen kann, wenngleich obendrein das Zauberschwert des Vaters eingreifen muss. Letztlich siegen die Jugendlichen in dem ungleichen Kampf, entlassen großmütig den Wesir trotz dessen Mission, sie zu töten, und brechen in Adalwins Heimat auf. Wer wissen will, welche Gegend mir mit der Auenlandschaft vorschwebte, dem sei es verraten. Es war der Blick aus dem Wörlitzer Park am Venushügel in Richtung der Elbe, der mich seinerzeit inspiriert hat.

Angekommen in der heilen Welt bei den Eltern wird alles veranlasst, was zum kleinen Glück gehört. In einer echten Dorfgemeinschaft, perfekten Gegend und frei aller Sorgen könnte sich alles das einstellen, was den meisten Menschen genügen würde. Es fehlt an nichts – lediglich ein Quäntchen Zeit bis zur Hochzeit. Tja, … Drachenkrieger können nicht einfach ins Private abtauchen, dafür sind sie ihren Apologeten schon zuviel auffällig geworden. Der erste Teil des Romans schließt mit einem Fingerzeig auf den dräuenden Schrecken, der die Idylle bald heimsuchen wird.