Kapitel 3 – Lucina bringt Leuforia und Furarius zum Handeln – (Trio Infernale)


Mit dem dritten Kapitel wird erstmals eine Szenerie beschrieben, die im gesamten Roman in Summe zwölfmal auftaucht. Die Räumlichkeiten Leuforias liegen abgehoben, in der Spitze des Nordturms der Drachenburg, in denen die schöne Schwester Furarius´ ihr Refugium hat und ihr Unwesen treibt. Sie beherrscht die schwarzen Künste und pflegt in einem Ritual den beständigen Kontakt zu Lucina, die als Sprachrohr der dunklen Allianz, der planetarischen Unterstützer des Bösen – bestehend aus ihr selbst, Mars und Saturn – und in gleichem Maße als Himmelsspion fungiert.

Ganz oben zwischen den Zinnen schmachtet ein riesiger Adular in Ketten (als Ausdruck seines Missbrauchs), der vom lunaren Licht zum Aufscheinen angeregt wird und ein Elixier absondert, welches dem Despotenpaar übernatürliche Kräfte verleiht: Schlaflosigkeit, ewige Jugend, Flugvermögen und Beinahe-Unverletzlichkeit (siehe dazu auch „Zur Rolle des Drachenpaars“ in diesem Blog). Diese magische Flüssigkeit ist genauso Ausdruck des Beistandes, welchen die Regenten auf dem Basaltmassiv erfahren, wie das Stelldichein mit dem nächtlichen Beobachter, der sie über die beiden Antipoden auf dem Laufenden hält.

Verfallen bin ich auf den Mondstein, weil meine Oma mütterlicherseits einen Ring mit einem solchen Prachtexemplar besaß, auf dem ein Kugelsegment dieses Halbedelsteins geheimnisvoll glänzt. Die Kostbarkeit hat mich fasziniert, weshalb ich ihr ein Denkmal gesetzt habe.

Der Leser wird durch die Hausherrin, die eine Treppe abwärts schreitet, in ein Gemach entführt, das ich ohne Vorbild entworfen habe. Möglichen Kulissenbauern dürfte anhand der detaillierten Schilderungen und der hübschen Grafik von Frau Velte der Nachbau leichtfallen. Für Freunde von Symbolismen wird einiges geboten. Auf dem Boden prangt ein Schachbrett-Muster über dem eine Windrose schwebt. Beides zusammen soll dem Machtkalkül künstlerische Gestalt verleihen, dessen Zentrum das Zimmer ist, ein alternatives Oval Office quasi. Das Kriegs- und Strategiespiel der alten Inder, dessen stärkste Figur (zumindest seit der letzten Regeländerung im Mittelalter) die Dame ist, mit der Darstellung aller vier Himmelsrichtungen signalisieren den Anspruch auf die Dominanz über den gesamten Globus.

Das verbaute Material, der Carrera-Marmor, stammt aus Italien, jenem Land, welches das antike Weltreich gebar, an dem sich bis heute die europäische Kultur orientiert bzw. von ihm durchdrungen wird. Die korinthischen Säulen dienen dabei nicht nur der Auflockerung, sondern verweisen auf die Basis der alten Römer, die Griechen.

Eingeklemmt zwischen den Metaphern des Allmachtstrebens wurden vier Farben verwendet. Der rote Baldachin ergänzt die Komposition. Wer mag, kann daraus die Vermischung der Flaggenfarben vom deutschen Kaiserreich (Schwarz, Weiß, Rot) und der Weimarer Republik (Schwarz, Rot, Gold) herauslesen und sich über das „Wieso“ Gedanken machen. Als Hilfestellung sei auf drei mal drei siebenarmigen Leuchter verwiesen. Sicher wird sich jeder leicht für diese Konstruktionen die Menora vorstellen können, die das Staatswappen Israels ziert, genau jenes Staates dessen Existenz es für manche imperialen Kreise zu rechtfertigen galt.

Ergänzt wird der Raum noch durch einen Zauberspiegel, der ihm mitsamt der goldenen Kandelaber an den Wänden zum Prunk und kalten Glanz verhilft und ihn obendrein in eine gespenstische Atmosphäre taucht, der dessen Symmetrie aufbricht und einen weiteren Hinweis liefert – gleicht er doch einem allsehenden Auge (wobei hier eher die Anspielung auf Amerika in den Vordergrund gerückt ist mit seinem Drang zum Ausspionieren der ganzen Welt). Genau zu dem wird er im Prinzip durch die Präsenz des Wesens, das sich in ihm manifestieren kann.

Als nächstes erfolgt die Beschreibung des Äußeren der Drachenschwester. Leuforia ist ein bezirzendes Vollblutweib. Inspiriert hat mich dafür die Schauspielerin Monica Bellucci. Zwei Filme schätze ich besonders von ihr: „Der Zauber von Malena“, in dem sie einfach umwerfend schön ist. Dass sie auch ambivalente Rollen auszufüllen vermag, bewies sie für mich eindrücklich im „Pakt der Wölfe“ als Agentin des Vatikans. Übrigens hat mich dieser Film noch ein weiteres Mal mit einer Idee beschenkt. Er behandelt ja die Geschichte der Bestie vom Gévaudan, der zwischen 1764 und 1767 etwa 100 Menschen zum Opfer fielen. Die entarteten Wildschweine im fünften Teil der Trilogie von Aurelia & Adalwin tragen das Gepräge genau dieser alten, bis heute ungeklärten Geschehnisse.

Weil wir gerade in der Filmkunst schwelgen: Das Verändern eines Angesichtes mit wohlgestalteten Zügen zu einer Fratze von Hass oder Gier, was ich bei Leuforia häufig anreiße, gelingt wohl keiner Aktrice besser als Milla Jovovich, der wandelbaren Halbrussin-Halbserbin. Jüngst zu bewundern in „Die drei Musketiere“ aus dem Jahr 2011. Und keine Frage, natürlich würde auch Penelope Cruz gut in die Rolle der dunkelhaarigen Venus schlüpfen können, wobei mir dieser Männertraum eher bei der Figur Nastasias mit ihrem Konterfei Hilfsdienste leistete. Auf die verwunschene Königstochter wird später noch einzugehen sein.

Im Verlauf des Dialogs mit Lucina erfährt Leuforia von der Existenz der Auserwählten, überwindet ihre Enttäuschung über den Fehlschlag ihres Bruders, dem Aurelia seinerzeit offenkundig entronnen ist und reagiert wie eine clevere Potentatin. Was nicht zu ändern ist, muss angepackt werden. Als Riesenfledermaus flattert sie zu den Gemächern ihres Mitregenten, der ebenfalls in unerreichbarer Höhe im Südturm wohnt.

Das Geschwisterpaar hat mit seinen Behausungen seiner Machtfülle und seinem Anspruch Ausdruck verliehen, wobei individuelle Unterschiede zu Tage treten. Furarius präsentiert sich in einer eher schlichten Klause. Er ist Krieger durch und durch. Nur Gold interessiert ihn wirklich, ansonsten ist er ein Arbeitstier und gönnt sich lediglich einen prächtigen Ebenholzsekretär, der aber auch eher funktional denn als Prunk daherkommt.

Im Gespräch der Despoten entpuppt sich deren menschenverachtende Haltung genauso wie ihre Verschlagenheit und Raffinesse. Dass beide Jugendliche in Elternhäuser aufgewachsen sind, in denen gesundes Umfeld und Behütetsein ihre Entwicklung zu selbstbestimmten Individuen ermöglichten, ärgert sie wie alle Machthaber. Ihnen ist daher klar, dass sie dort ansetzen müssen, um den Adoleszenten ihre Basis zu entreißen. Bei Aurelia vertrauen sie zunächst auf ihr Instrumentarium, um das Mädchen wie alle ihre Untertanen umzufunktionieren. Der Tod ihrer Eltern wird zynisch als Nebensatz abgetan.

Der verehrten Leserschaft wird sicher aufgefallen sein, was ich wirklich mit den Mitteln der Drachenschwester meine: Drogen, Discotheken, Spielekonsolen und Fernsehen in Verbindung mit einem Minimum an Wohlstand, mit denen sich so viele Zeitgenossen zu willigen Konsumsklaven herabwürdigen lassen.

Bei Adalwin entwickelt das finstere Duo einen anderen Plan, ihn aus seinem Kindheitsparadies zu vertreiben. Leuforia will die Turkannen (Türken) zu einer Knabenlese aufhetzen. Sie will ihren Widersacher über diesen Umweg durch Kastration ausschalten.

Zwei Absätze runden das Kapitel ab. Zum einen wird angedeutet, was Leuforia in den Neumondnächten treibt und sie ansonsten als Lockvogel oder Projektionsfläche für die Begehrlichkeiten der Rekruten dient. Sie genießt dies einerseits, gleichwohl sie die willfährigen Opfer ihrer Verführungskünste zugleich verachtet. Ihr berückendes Aussehen ist eines ihrer Machtmittel, generell eines der Weiblichkeit, mit dem sich manche Zeitgenossin mit ihren Reizen durchzusetzen weiß.

Zum anderen wird näher beschrieben, welche Metamorphose mit Furarius geschieht, wenn er sich zum Drachen wandelt. Hier sollte auch ein wenig anklingen, welche furchtbare Gestalt Aurelia im Schlussakkord gegenüber stehen wird, denn ihr wächst es zu, dieses gepanzerte Monstrum im Duell zur Strecke zu bringen.

Viel mehr ist zu diesem kurzen Kapitel nicht aufzuhellen. Eingeflochten seien noch die Hinweise, dass in der Kette der zwölf Schilderungen einerseits stets handlungstreibende Komplotte ersonnen werden und andererseits auch die jahreszeitlichen Abläufe eingestreut werden, so dass dem Leser hoffentlich besser eine Einordnung der Abfolge gelingen kann.