Für den Leser von Aurelia & Adalwin wird schnell klar, dass in der Amazone Parsidia so etwas wie eine dritte Hauptfigur in der Trilogie auf der Seite des Guten auftaucht. Die Prinzessin zieht mit der Drachenkriegerin durch dick und dünn, erwirbt im Verein mit ihr den grünen Tropfen, erobert an ihrer Seite den blauen Brillanten und folgt ihr, obwohl zwischenzeitlich zur Regentin aufgestiegen, bis vor die Drachenburg. Selbst für einen Märchenroman heischt eine derartige Verbundenheit nach Erläuterung.
Ganz ähnlich stellt sich die Sachlage bei Gündehau, dem Blutsbruder von Adalwin dar. Dessen an sich widernatürliches Verhalten – er nimmt den Fremdling aus Alamania nicht als Konkurrenten und Feind wahr, sondern beugt sich widerspruchslos bis zur Selbstverleugnung dessen überlegenen Führungseigenschaften – erklärt der Roman durch das Konstrukt der magentafarbenen Verbindungssteine, die Adalwin von den Gnomen erhält. Die Magie überlagert die üblichen Reflexe, die sonst im tatsächlichen Leben wirken würden. Sollte mich tatsächlich noch einmal die Lust an Aurelia & Adalwin übermannen, wäre den Üblichkeiten der Moderne frönend, das Buch danach die Story davor. Da könnte ich ausführlich die Ränke und Intrigen beschreiben, die Gundehar und Leuforia scheitern ließen und somit den Realitäten huldigen. In dem bisher vorliegenden Werk tendierte ich halt zum Lichtvollen, möglicherweise gelegentlich unter Dehnung der Grenzen des Glaubhaften.
Zurück zu der rotblonden Kriegerin. Zunächst der obligatorische Exkurs zur Namensfindung: Mit Parsidia meinte ich einen markanten, exotischen Frauenname erdacht zu haben, dessen erste Silbe vom Klang her sowohl an das Wort „Paar“ wie an die „Parther“ erinnert. Das eine fand ich passend, bilden die zwei Kämpferinnen doch tatsächlich ein Duo. Das andere ist eine Reminiszenz an jenes antike Volk im heutigen Iran, das den Römern bei Carrhae eine der empfindlichsten Niederlagen beibrachte. Wichtig dabei: Die Parther zeichneten sich militärisch vor allem durch ihre berittenen Bogenschützen aus, womit die Parallele zu den Amazonen gezogen ist.
Mir war der Rückgriff auf die prägnanten Schöpfungen der klassischen Dichter aus mehreren Gründen eine Herzensangelegenheit. Zum einen weiß ich noch heute, wie ich Rotz und Wasser geheult habe, als ich in der Schlacht vor Troja schwelgte und die Episode verschlang, in deren Verlauf die stolze Königin Penthesilea von Achilles vor Troja erschlagen wurde. Noch im Tode schön, rührte sie ihren Mörder zu Tränen und brannte sich in sein und mein Herz. Insgesamt wollte ich, das war zumindest ein wichtiger Teilaspekt, als Zeichen meiner Verehrung von Homer (von dem noch heute keiner sicher ist, wer er war) den Bogen von meinem Märchenroman genauso zur Schlacht vor Priamos´ Feste spannen, wie er ja mehrfach in der Trilogie zu den Nibelungen, Parzival oder dem Artussagenkreis erkennbar wird.
Weit bedeutender ist aber eine andere Funktion dieser Figur. Die in allen Belangen Aurelia ebenbürtige Amazone bildet deren Alter Ego und verkörpert zunächst den Teil in einem heranwachsenden Mädchen, der sich zu Recht vor dem ungeschlachten, groben Mannsvolk gruselt, das da alles andere als liebenswert daherkommt. Eher verwundert und erschreckt realisiert eine Halbwüchsige daher an sich, dass sie von diesen tumben Toren dennoch fasziniert und angezogen wird.
Ein Drittes dominiert außerdem: Parsidia und Aurelia stehen für zwei Arten der Denkweise und Betrachtung der Welt. Pragmatisch, kühl, abwägend, intellektuell, auf Logik bauend und distanziert die Eine, inspiriert, leidenschaftlich, von Intuition geleitet, weil liebend, die Andere. Darüber hinaus konnte ich mir ein wenig Emanzenkritik nicht verkneifen. Meine weibliche Leserschaft wird es mir hoffentlich verzeihen. Immerhin bin ich nicht so weit wie die Griechen gegangen. Bei mir sind die Trägerinnen der Langbögen allesamt hübsche Weiber, haben daher gerade nicht ihre Brust amputiert und besitzen, das wird, so meine Überzeugung, jeder herauslesen können, meine volle Sympathie. Nichtsdestotrotz gehen sie symbolisch für ihre Lebensweise unter. Ohne die wahre Liebe ist das menschliche Dasein einer existentiellen Triebfeder für Erfahrungen beraubt. Die Flucht vor dem Konflikt ist keine Lösung. Ruhe heißt eben auch das Fehlen von Entwicklungsmöglichkeit und Selbsttäuschung.
Parsidia samt ihrer Crew fallen obendrein wichtige literarische Aufgaben zu. So steht der Hauptheldin mit ihrer Herzensvertrauten stets wo nötig eine Kampfkraft samt zugehörigem Fortbewegungsmittel zur Verfügung. Das rotblonde Pendant der Drachenkriegerin lässt manches Abenteuer erfolgreich enden. Nicht zuletzt ist es der frisch gebackenen Königin vorbehalten, vor dem schwarzen Felsen die gesamte Unternehmung zu retten. Sie scheidet aus dem Geschehen aus, als Aurelia endlich dort ankommt, wo sie in ihre volle Kraft gelangt ist.
Was sich hinter dieser Aussage verbirgt, muss der Leser im dritten Teil selbst herausfinden. Nur eines will ich hier verraten: Es sollten Taschentücher bereitliegen. Mir fällt es bis heute beim Lesen des selbstverfassten Textes jedenfalls leicht, dazu zu greifen.