Kapitel 9 – Die Blauäugigen finden zueinander (Die Blauäugigen)


Für den Fortgang der Geschichte war es wichtig, dass sich die Haupthelden als das entdecken, was sie sind: die Auserwählten, die Drachenkrieger. Dies geschieht im neunten Kapitel. Aurelia und Adalwin verbindet ihre Herkunft, ihre Andersartigkeit unter dem Hirtenvolk und fast zwangsläufig erwacht angesichts der äußeren Schönheit, die sowohl den Jüngling wie auch die Maid auszeichnet, die Faszination füreinander. Im Grunde wird es keinen Leser überraschen, dass sich wegen der Bestimmung des Pärchens die zwei Alamannen auf den ersten Blick ineinander verlieben. So erwacht zudem das Vertrauen, sich dem anderen zu öffnen und zu offenbaren. Soweit die Kurzform. Was für Aspekte sind dabei noch besonders erwähnenswert?

Da sei zunächst ein schreibtechnischer Hintergrund angerissen. Wer meinen Blog verfolgt hat weiß, dass ich in das Schreiben eher zufällig hineingeschlittert bin. Wen es interessiert, der findet das unter („Wie Aurelia und Adalwin entstanden“) ausführlich beschrieben. Als selbständiger Ingenieur, Berater und Sachverständiger war ich nicht gerade prädestiniert für das Verfassen von Literatur. Es bedarf ja neben der Fantasie und der Disziplin (siehe auch „Wie und wo schreibt man einen Fantasy-Roman“) auch eines handwerklichen Rüstzeugs. Tja, dafür hatte ich nun überhaupt keine Qualifikation, es sei denn, eine von meinem Deutschlehrer an der Betriebsberufsschule des VEB Elbtalwerkes Heidenau, dem seligen Fritz Tuma, nur selten vergebene Abiturnote 1 würde als solche anerkannt und genügen. Ach, fast hätte ich vergessen, was vielleicht noch ins Feld zu führen wäre: Der Literatur-Club von Frau Deptuller an der 25. POS „Ernst Thälmann“. Verlockt durch die Tatsache, dass sich dort eine Reihe hübscher Mädchen tummelte, hatte ich mich als einziger Junge dahin verirrt. Allerdings wurde in diesem illustren Kreis ebenso mit den Lehrstoffen nicht auf künftige Autoren gezielt, lediglich selbst verfasste Gedichte konnten und sollten gelegentlich vorgetragen werden.

Hätte ich das Verfassen eines Romans vorgehabt, wäre ich sicherlich auf die Idee verfallen, vorher einen Lehrgang zu besuchen und einen Plot für das Vorhaben zu konstruieren. Nun, das tat ich alles nicht. Sicherlich würde ich dann niemals angefangen haben, angesichts des geschärften Problembewusstseins.

Aber irgendwo hatte ich doch einmal was von Erzählperspektiven gehört. In der Erzähltheorie werden im Allgemein vier davon definiert. Wer es etwas genauer wissen will, könnte hier auf diesem Link seine Recherche anfangen: http://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/Erzaehlperspektive.

Wie der Literaturfreund, der sich bis zum neunten Kapitel vorgearbeitet hat, nicht verborgen geblieben sein wird, verwende ich bis zu diesem Abschnitt recht stringent die auktoriale Sichtweise. Einfach erklärt: ein allwissender Erzähler führt durch das Geschehen. Nichtsdestotrotz gilt das Wechseln der Perspektiven als ein anerkanntes künstlerisches Mittel. In solchen Fällen wird von Polyperspektive gesprochen und hier schließt sich der Kreis: Gelegentlich springe ich in meiner Trilogie von Aurelia & Adalwin auch an einigen Stellen in die personale Erzählweise, wenn ich besonders wichtige Aspekte beleuchten und/oder die Dramatik des Ereignisses unterstreichen wollte.

Insofern beginnt das neunte Kapitel an anderer Stelle für Adalwin mit der Handlung, wobei aus seiner Sicht das dem Leser schon bekannte Geschehen abläuft: Auf Geheiß von Gülgerü trifft er auf Aurelia. Diese taucht befördert durch ihr Zauberwesen Monahora wie aus dem Nichts in der Steppe auf, wurde – wie der Bücherfreund schon weiß – gefangen genommen und der Großkhan hatte versucht, sie zu verhören.

Zuvor konnte ich in den ersten Absätzen ein paar Dinge über die Lebensweise der Turkannen einflechten, die verständlich machen, dass die Rahmenbedingungen für die Drachenkrieger keineswegs zufällig entstanden sind. Um sie auf das Besondere ihrer Mission vorzubereiten und sie dafür auf das höchste Niveau hin auszubilden, gehörte das Herausreißen aus den Kuschelbedingungen des Alltags in glücklichen Familien dazu. Es ist Teil des Programms, da die harten Umstände genau das befördern, was sie benötigen: Sie werden hervorragende Reiter und Kämpfer. Adalwin wird durch die Verschleppung samt der Dauerkonkurrenz mit Gündehau und durch die harte Ausbildung als Rekrut geformt. Aurelia gewinnt erste Fähigkeiten als Kriegerin bei den Turkannen, wo „zufällig“ als erster Lehrmeister ihr Teilhaber an der Mission fungiert. Um diese keineswegs ohne Wirken der Vorsehung zustande gekommenen Fügungen zu unterstreichen, ist die Reflexion von Gülgerü eingestreut, dem die Analogie zwischen den beiden halbwüchsigen Blauäugigen auffällt: Sie ruhen trotz ihrer Jugend in sich und scheinen keine Furcht zu kennen.

Ein kleiner Schwenk sei eingestreut. Die Beschreibung der militärischen Gewohnheiten der Turkannen enthält neben dem schon geschilderten Aspekt der Drachenkrieger-Erstausbildung weitere: Unter anderem mein Bekenntnis bzw. meine Vorstellungen zur allgemeinen Wehrpflicht, die ich für unverzichtbar halte. Jedenfalls war es aus mehreren Gründen keine gute Idee, diese in Deutschland auszusetzen.

Letztlich habe ich den Ausflug zu den Verteidigungsanstrengungen der Turkannen ebenso eingeflochten, weil sie im Zusammenspiel mit der Machtausübung eine wichtige Rolle spielen. Der Großkhan ist der Oberbefehlshaber und damit der Souverän des Hirtenvolkes. Seine Position wird er allerdings nur gerecht, wenn er selbst das Soldatenleben kennt und ohne Privilegien seine Rekrutenausbildung abgeleistet hat. Wäre es nicht hübsch, wenn solche Mechanismen überall dort installiert werden würden, wo später Menschen große Gewalt über andere ausüben?

Gülgerü ist ganz Staatsmann, nimmt aber die Verantwortung für sein Volk absolut ernst. Insofern wittert er Gefahr. Ihn beunruhigt, dass inmitten seines Reiches ein Eindringling auftaucht, der zuvor nirgendwo registriert wurde. Der Dialog mit seinem Zögling spiegelt zugleich, wie Adalwin argumentieren kann und welche Stellung er bei seinem Ziehvater inzwischen hat. Ihm gelingt es, Aurelia, in die er sich spontan verliebt, in seine Nähe zu lotsen. Der Respekt des Despoten vor seinem Wahlsohn zeigt sich auch darin, was der weitsichtige Herrscher wenig später festlegt: Adalwin soll als Großwesir ausgebildet werden, um seinem Blutsbruder als Ratgeber zu dienen und das alltägliche Regieren abzunehmen.

Während der Rollenverteilung drängt sich dem Großkhan eine Szene ins Gedächtnis: Die Rückkehr seiner Söhne aus den Heiligen Bergen. Diese verknüpft er mit seinen fortlaufenden Beobachtungen, die ihm längst aufgezwängt haben, dass der geraubte Jüngling prädestiniert zum Machthaber wäre. An dieser Stelle wollte ich die später sich daraus ergebenden Entwicklungen zum ersten Mal andeuten.

Als nächstes folgt die Beschreibung der schüchternen Annäherung von der gefangenen Dienstmagd und dem adoptierten Prinzen. Gedeckt durch den Auftrag, die Fremde auszuhorchen, haben die Jugendlichen Gelegenheit zum gemeinsamen Verbringen ihrer Freizeit. Schließlich dämmert Aurelia der Widerspruch zwischen ihrer Mission und ihren Herzenswünschen. Sie konsultiert ihr Einhorn, das die längst fällige Aussprache der beiden anregt. Vor lauter Verliebtsein schnallt die Maid erst beim zweiten Anlauf, als es ihr der vertraut gewordene Prinz rüberbringt,  was sie zu den Turkannen verschlagen hat: Adalwin, ihr Geliebter, ist der zweite Drachenkrieger.

Umgekehrt bekommt Adalwin einen Schreck. Mit der Liebe zu dem schönen Engel aus seiner Heimat hatte sich prompt sein Blick darauf verstellt, was wirklich passiert war. Er meinte schon, er wäre aus Gaias Blickfeld gerutscht und konnte den „Zufall“ genauso wenig wie Aurelia als Fügung erkennen. So erleben beide eigentlich eher einen Schock, sich als die Auserwählten zu erkennen und am Schluss des neunten Kapitels wird schon angedeutet, was den Schluss des ersten Teils der Trilogie ausmachen wird: Die beiden Drachenkrieger wollen ihre Liebe leben und vor ihrer Mission davonlaufen.