Kapitel 10 – Aurelia soll verheiratet werden (Zwangsheirat)


Im Sinne dessen, dem Leser auf verborgene Symbolik aufmerksam zu machen, bietet dieser Abschnitt eher wenig Stoff. Die Geschichte um die beiden Drachenkrieger musste fortentwickelt werden, ihre Flucht einen Anlass haben. Sie stehen an der Schwelle zum Erwachsenwerden, haben sich ineinander verliebt, aber sind in einer Umwelt verhaftet, in der sie als geraubte Fremdlinge nur zwangsweise leben. Das schränkt ihren freien Willen und ihre Entscheidungsmöglichkeiten ein, wenn auch Adalwins Stellung als Wahlsohn des Potentaten deutlich privilegierter ist, als Aurelias Existenz als Dienstmagd. Er ist genauso ein Gefangener wie die blonde Alamannin und Spielball der Pläne seines Ziehvaters.

Wie absolut und nach seinem Gusto Gülgerü regiert, wird deutlich, in welcher Weise er mit den beiden Fremdlingen umspringt. Kurzerhand wird Aurelia zum Siegerpreis für ein Pferderennen bestimmt, obwohl oder gerade weil er weiß, dass die exotische Jungfrau seinem Zögling wichtig ist. Frauen zählen im Islam bis heute nichts. Sein Verhalten gegenüber dem versklavten Mädchen ist nichts Überraschendes. Insofern ist seine Entscheidung eher ein Affront für Adalwin. Dem gelingt es allerdings, trotz des Dolchstoßes in seine Empfindungswelt, aus der verkorksten Situation eine Minichance für seine Geliebte herauszukitzeln. Er weiß, wie der Machthaber tickt und erreicht es, dass Aurelia an dem Wettrennen teilnehmen darf. Wie wenig erfolgversprechend das den zwei Helden erscheint, wird dadurch deutlich, dass sie einen ersten Fluchtversuch planen, jedoch wieder fallenlassen, weil dieser erahnt wird. Es bleibt nur die eine Aussicht auf Gemeinsamkeit: Aurelia stellt sich dem Rennen.

Übrigens wird, während Gülgerü Adalwin abkanzelt, ein Hinweis eingestreut, der eine Voraussicht auf Geschehnisse wirft, die erst im dritten Band stattfinden. Der Sultan von Algabien, das wird sich später zeigen, muss ebenfalls mit seinen Streitkräften in die Allianz der Drachenkrieger eingegliedert werden. Die Inthronisierung des Sohnes als Nachfolger wirft an dieser Stelle die Schatten auf diese Handlung voraus. Und – auch das sei verraten – dem Leser wird eine weitere Bekannte aus Teil 1 wieder begegnen: Nastasia.

Was von Interesse für all diejenigen sein könnte, die sich für die Entstehung des Werkes interessieren, ist möglicherweise Folgendes: Die ausführliche Beschreibung des Pferderennens entstammt einer Anregung von Henner Kotte (https://de.wikipedia.org/wiki/Henner_Kotte). Seine Rolle beim Entstehen der Trilogie hatte ich bisher nur kurz gestreift und sicherlich muss einen Sucher die Neugier schon mächtig treiben, um sich auf der Website zu der Stelle zu verlieren, an der er erwähnt wird (Danksagung). Hier sei sie aus gegebenem Anlass etwas näher dargestellt.

Das Leben nimmt gelegentlich krumme Wege. In der Bekanntschaft eines ITK-Consulters sind naturgemäß die Künstler rar gesät. Nachdem ich schon eine Weile beschlossen hatte, das Kolportage-Märchen für meine Jüngste in einen Fantasy-Roman zu verwandeln (Wie „Aurelia & Adalwin“ entstanden), grübelte ich darüber nach, woher ich ein wenig Einblick in den Literaturbetrieb und eine professionelle Rückkopplung über die Erfolgsaussichten meines Geschreibsels erhalten könnte. Da fiel mir ein alter Freund ein, mit dem ich seit den gemeinsamen Tagen als Flugzeugmonteur bei der NVA in Bautzen eine Beziehung verbindet. Eigentlich ist das falsch, denn die Bande zwischen uns müssen viel älter sein, stammen nach meiner festen Überzeugung aus alten Existenzen, aber das ist eine andere Geschichte…

Die Mutter jenes Armee-Kameraden hatte als Journalistin gearbeitet, er selbst schrieb Briefe mit literarischer Qualität und wir zwei hatten schon einmal gemeinsam versucht, mein Tagebuch aus der Wendezeit, die ich 1989 in Leningrad verbracht hatte, in etwas zu verwandeln, was Verlage interessieren könnte. Ein Anruf bei ihm förderte zutage, dass er wiederum seit seiner Zeit auf der Sportschule die Beziehung zu einem Kumpel von dort pflegt, der inzwischen zum sächsischen Krimispezialisten aufgestiegen ist. Genau! Die Rede ist von Henner Kotte (http://www.henner-kotte.de/pages/home.php). So erhielt ich die Telefonnummer und wenig später eine Audienz in Leipzig bei einem echten Schriftsteller.

Der Besuch in der Stadt der zweitgrößten Buchmesse in Deutschland verschaffte mir die Bekanntschaft mit einem originellen, gebildeten, jovialen und scharfsinnigem Menschen, der sich zudem bereit erklärte, meinen Schreibversuch mal zu lesen und zu kommentieren. Das war weiß Gott mehr als ich zu hoffen gewagt hatte. Zudem brachte er mir die Erkenntnis, dass mein bis dahin verfasstes Opus schon längst über den Umfang eines Buches hinaus angewachsen war. Als unerfahrener Depp hatte ich fälschlicherweise meine A4-Seiten immer im Geiste mit Buchseiten gleichgesetzt. Da ich damals aber erst mit meiner Story in Stonehenge angelangt war, beschloss ich halt kühn, weiter zu schreiben und eine Trilogie daraus zu machen.

Zurück zu Henner Kotte und des Pudels Kern aus diesem Schwenk: Eine der Glossen des Erfolgsautors lautete an meinem bis dato eher dürftigen einem Absatz, mit dem Aurelia das Pferderennen gewinnt, dass sich daraus viel mehr machen ließe. Hier würde die Dramatik fehlen. Derart angestachelt habe ich dann das zu Papier gebracht, was sich jetzt im Kapitel 10 auf mehreren Seiten nachlesen lässt und jeder kann sich selbst ein Urteil bilden, inwieweit das Anliegen gelungen ist, den Fantasy-Freund zum Mitfiebern einzuladen.

Genug davon! Kehren wir zur Geschichte zurück: Aurelia gelingt das Unmögliche, weil sie ihren Inspirationen vertraut. Als erste Frau darf sie an dem Königswettkampf des Reiterfestes teilnehmen und gewinnt – auf dem Schlussstück von Gaia unterstützt – im Sattel ihres Einhorns das mörderische Rennen. Ihre Schönheit, die Sensation und ihr klares Bekenntnis zu Adalwin, der beim Volk beliebt ist, münden in einen Begeisterungstaumel der Steppenbewohner. Das jugendliche Paar begeistert die Massen. Die Situation schafft eine Eigendynamik, die den Wesir in Konfusion stürzt. Mit diesem Ausgang der im Scherz vom Großkhan erteilten Sondererlaubnis für die Blondine war nicht zu rechnen gewesen. Plötzlich entsteht für ihn ein Problem und er beschließt es auszusitzen.

Alle Regeln leben von den Ausnahmen. Ein kontrollierter Dispens lässt die Strenge der sonst üblichen Enthaltsamkeit besser ertragen. Eine Besonderheit bei den Turkannen ist es daher, dass sie aus ihren Traditionen heraus einmal im Jahr – Moslems hin oder her – zünftig feiern und der Alkohol dabei in Strömen fließt. Eine ähnliche Ventilfunktion hat auch die katholische Kirche für ihre Gläubigen parat. Bevor die vierzigtägige Fastenzeit beginnt, die an Christus Aufenthalt in der Wüste erinnern soll, gibt es Fasching. Die Kölner haben daraus gleich die fünfte Jahreszeit gestaltet und zelebrieren ihren Karneval in opulenter Weise.

Das allgemeine Besäufnis schafft für die Drachenkrieger die Voraussetzungen, dass ihnen, trotz Eskorte von vier Soldaten auf ihrem Triumph-Rundgang durch die Zelte, die Flucht gelingt. Etwas mulmig wird Aurelia, als sie Adalwin über ihre Begleiterin aufklärt. Plötzlich wird ihr bewusst, weswegen Monahora ihr zur Seite gestellt ist. Sie verdrängt rasch das Thema. Das Leben mit ihrem Prinzen ruft und ihre Bestimmung wird von der Liebe überlagert. Dass die zwei so einfach nicht davonlaufen können, wird mit den Schlusswendungen des zehnten Kapitels angedeutet. Da ist zum einen der Plan Adalwins, sich gen Süden zu wenden. Mehr als eine List, denn es ruft ihn, sich Gundehars Schwert aus den heiligen Bergen zu holen, obwohl auch er kein Auserwählter mehr sein will. Zum anderen dämmert dem Leser, dass der seltene Regen keineswegs zufällig vom Himmel fällt, um die Spuren zu verwischen. Trat Gaia zwar lange nicht in ihrer Verkörperung in Erscheinung, ihre beständige Fürsorge für das Paar ist nie erloschen.